China/Taiwan Asien

Essay

Von Wolfgang Kubin

Der Sieg der Kommunistischen Partei Chinas im Bürgerkrieg und der dadurch bedingte Rückzug der konservativen Nationalpartei (Guomindang) unter Tschiang Kai-schek nach Taiwan hat nach der Ausrufung der Volksrepublik in Peking am 1.Oktober 1949 nicht nur politisch, sondern auch kulturell eine unter­schiedliche Entwicklung in beiden Teilen Chinas zur Folge. Es ist seitdem nicht mehr möglich, von einer chinesischen Literatur zu sprechen. Man muß unterschei­den zwischen einer sozialistischen Literatur, die sich auf dem Festland unter dem Einfluß der Sowjetunion herauszubilden und sehr spät dem Westen zuzuneigen begann, und einer Literatur, die auf dem neu errichteten Inselstaat, gleichsam abgeschnitten von ihrer eigenen Vergangenheit, zunächst im Zeichen des Anti­kommunismus, dann eines westlichen Modernismus und schließlich einer Rück­besinnung auf die Wurzeln einen neuen Weg zu finden bemüht war. Da aufgrund einer rigiden Kulturpolitik aus Taiwan bereits früh und aus der Volksrepublik spät ein Exodus von Schriftstellern eingesetzt hat, ist neben diesen beiden Richtungen auch von einer chinesischen Auslands- bzw. Exilliteratur zu reden, die hauptsäch­lich in den USA verfaßt und vornehmlich im ostasiatischen Raum verlegt wird. Daneben hat sich seit Mitte der achtziger Jahre als vierte, wenn auch weniger bedeutende Strömung eine chinesischsprachige Literatur in Südostasien mit Schwerpunkt auf Hongkong ...